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Dramatisches aus dem Bauarchiv in Berlin Mitte 2023 – unersetzbare Bauakten vom Verfall bedroht

Nach dem Wasserschaden mit Schimmelbefall und der Auslagerung der Bestände an den Stadtrand mit hohen Transportkosten von 25 €/Akte kommt nun die nächste schlechte Nachricht.

Der Amtsleiter Berlin-Mitte, Lier, legt mit seinem jüngsten Rundschreiben den Finger in die Wunde: Durch die fehlende Digitalisierung gehen uns auf absehbare Zeit die wenigen noch vorhandenen Bauakten verloren. Der Zahn der Zeit hat dermaßen an ihnen genagt, dass sie beim Kopieren oder Scannen so stark beschädigt werden, dass sie unbenutzbar werden. Dies ist dramatisch, denn wie inzwischen jeder weiß, müssen wir künftig verstärkt unseren Bestand transformieren, erweitern, umbauen, aufstocken, etc.. Gebäude abzureißen und neu zu bauen, gehört der Vergangenheit an.

Um bestehende Gebäude zu transformieren, ist es allerdings unabdingbar, dass man sie im Detail kennt. Dafür muss der Bestand analysiert werden, unter anderem und vor allem mit Plänen, die ihn dokumentieren. Bisher hat das mit vielen Gebäuden des vergangenen Jahrhunderts gut funktioniert. Die Gebäude waren mit Plänen und Statischen Berechnungen so gut dokumentiert, dass in Kombination mit wenigen Untersuchungen ermittelt werden konnte, welche Lasten die Bauteile tragen können, wie sie funktionieren und man daraus ableiten konnte, wie man sie so verändern kann, dass eine Aufstockung, eine Grundrissänderung, ein Teilabriss oder eine Ergänzung möglich werden. Insbesondere bei Stahlbetonbauteilen ist diese Analyse ohne die Bewehrungspläne nicht möglich. Dies hat zur Folge, dass Gebäude abgerissen werden müssen, weil nicht ermittelbar ist wie sie bewehrt wurden.

Der Weg, den das Bezirksamt Mitte fordert (Digitalisierung!), ist überfällig, denn erstens löst er das Problem der Altakten. Durch eine strukturierte und zentral organisierte Digitalisierung dieser Akten, könnten sie über Jahrzehnte weiter zur Verfügung stehen. Man müsste die Pläne nur 1x scannen und nicht immer wieder. Sogar wenn sie während dieses Prozesses zerstört werden würden, wäre die digitale Fassung weiterhin lesbar.

Zweitens wäre es ein Leichtes diese Datenstruktur durch neue Pläne zu ergänzen. Aktuell müssen im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens keine Ausführungspläne (weder Architektur noch Tragwerk) und auch keine Statische Berechnung abgegeben werden. Dies verschärft das oben erwähnte Drama. Denn auch die Gebäude, die nun neu gebaut werden, sollen früher oder später umgebaut werden können. Da die Mehrzahl der aktuell gebauten Gebäude mindestens teilweise aus Stahlbeton bestehen, wird das bei fehlenden Bestandsplänen dazu führen, dass sie nicht transformiert werden können, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Eine regelrechte Abbruchwelle rollt auf uns zu. Da dies ein gesamtgesellschaftliches Problem der Daseinsvorsorge ist, stellt die Archivierung der Bestandsakten aus der Sicht der Baukammer Berlin eine hoheitliche Aufgabe dar, die endlich zu lösen ist (§ 18 Satz 4 BauVerfV).

Um die Sache abzurunden, könnten drittens Anreize für Hauseigentümer geschaffen werden, damit diese die Bestandsunterlagen von ihren Gebäuden, die seit 2004 nicht mehr archiviert werden, in digitaler Form einreichen. Auf diese Weise könnte in absehbarer Zeit eine Gesamtdokumentation der Berliner Bauten entstehen, die das Weiterbauen und Transformieren im 21. Jahrhundert ermöglicht. Um bei des Amtsleiters Worten zu bleiben: dies sollte „RASCH“ umgesetzt werden.

Es wird keine Kreislaufwirtschaft geben, wenn es keine zeitnahe Digitalisierung der Bauarchive gibt. Es wird kein „Schneller Bauen“ geben, ohne funktionierende Bauarchive!

verantwortlich:
Dipl. Bau-Ing. ETH Nicole Zahner
Dr.-Ing. Christian Müller
Dr. Peter Traichel

Kein Ding ohne ING. - eine Initiative für den Ingenieurberuf.