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Die Ingenieure im Spannungsfeld zwischen Honorarfindung und öffentlicher Vergabe (VgV)

Ergebnisse der Befragung der Mitglieder der Baukammer Berlin zu dem Thema Preisdumping

Im Spannungsfeld

Die neue HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) zielt darauf ab, den Architekten und Ingenieuren ein angemessenes Honorar zu sichern. Andererseits soll mit ihrer Hilfe die Qualität der Bauplanung, Ausschreibung, Vergabe und Objektüberwachung gewährleistet werden. Wettbewerb soll über die beste Leistung entschieden werden, statt über den niedrigsten Preis.

Als Vergabeverfahren wird der Prozess der Ausschreibung der öffentlichen Hand bezeichnet. Es wird sowohl für Bauleistungen als auch bei Planungsleistungen eingesetzt. Das Verfahren regelt die Auftragsvergabe an Unternehmen.

Da derzeit auf beiden Seiten, dem Ingenieurbüro einerseits als Auftragnehmer und andererseits dem öffentlichen Auftraggeber, eine allgemeine Unzufriedenheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Preisfindung vorherrscht und viel die Rede ist von Preisdumping unter den Ingenieurbüros, hat die Baukammer Berlin eine Befragung zum Thema Preisdumping in Verbindung mit VgV-Verfahren durchgeführt. So kann vielleicht mehr Klarheit in die Situation gebracht werden.

Umfrage durch die Baukammer Berlin

Die Umfrage wurde im Januar 2022 gestartet und dauerte bis Ende Februar 2022.

Die 20 Fragen des Fragenbogens umfassen z. B. Fragen zu den Ingenieurleistungen, der Anzahl der Ausschreibungen nach VgV, der Anzahl der Aufträge, den Stundensätzen, der Größe des Ingenieurbüros sowie zur Vergabeentscheidung und zu schlanken VgV-Verfahren.

Teilnahme an der Befragung

Insgesamt wurden 792 Besucher im digitalen Fragebogenbereich gezählt. Die Fragen beantwortet haben letztendlich 224 Mitglieder (7,8%) der Baukammer Berlin.

Auffallend ist, dass sich viele Ingenieure keine Zeit nehmen, überhaupt Ausschreibungen zu lesen. 30 % der Ingenieure, welche geantwortet haben, gaben an, dass sie keine betreffenden VgV-Angebote lesen würden.

Auswertung und Ergebnisse der Befragung (nur das Wichtigste)

Die Ergebnisse der 20 Fragen stellen sich wie folgt dar:

  • Am stärksten vertreten waren, entsprechend der Teilnehmer, die Tragwerksplanung mit 40,29%, Objektplanung 38,83 %, technische Ausrüstung 27,67 %, Ingenieurbauwerke 18,45 %, Verkehrsanlagen 9,22 % und Freianlagen mit 4,37 %, s. 1
  • Nur 36% beteiligen sich an öffentlichen Ausschreibungen, und 64 % der Ingenieure geben an, sich noch nicht mal an öffentlichen VgV-Verfahren zu beteiligen. Die Gründe hierfür wurden mit einem zu großen Aufwand genannt. Es ist für viele offenbar zu mühsam, sich im Dickicht des Vergaberechts zurecht zu finden.
  • Von den beauftragten Angeboten wurden 47 % mit Nachlässen verhandelt, und 52 % der Angebote wurden wie angeboten beauftragt.
  • Die Ingenieure gaben an, dass sie auf Nachfrage nach einer differenzierten Begründung zur Entscheidung der Vergabe zu 39 % eine Antwort erhielten, während ca. 61 % keine differenzierte Begründung erhielten.
  • 81 % der Ingenieure fordern einen Submissionsspiegel vom öffentlichen Auftraggeber.
  • Sollte im Vergabeverfahren grundsätzlich für die ersten drei Platzierten die Möglichkeit bestehen, ihr Angebot dem Auftraggeber noch zu erläutern, wird dies von 81 % als notwendig angesehen. 19 % sehen das nicht so.
  • Die Ingenieure kalkulieren in Ihren Büros im Mittel mit 105,00 €/ Stunde für die Geschäftsführung (es gibt auch vereinzelte Ausreißer mit bis zu 200;00 €/ Stunde), für Ingenieure mit 85,00 €/Stunde und für Techniker 65,00 €/Stunde.
  • Die Bürogrößen, liegen zu 52 % bei 0 bis 5 Mitarbeitern, bei 6 bis 10 Mitarbeitern zu 14 %, 11 bis 20 und 21 bis 50 Mitarbeiter jeweils bei 10 % und von Ingenieurbüros mit > 50 Mitarbeitern beträgt der Anteil 14 %.

Ausgewählte Kommentare zu schlanken Vergabeverfahren:

Keine Auslosung, sondern Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Vergabegespräch weniger stark bewerten, dafür die fachliche Wertung höher.

Vergabegespräch: Problem ist doch, dass die Ausschreibenden schon auf die Unterschreitungsmöglichkeit hinweisen und Pluspunkte für Nachlässe vorsehen. Wenn es dann noch Vergabegespräche gibt, wird doch erst recht wieder ums Honorar verhandelt und das Honorar gedrückt.

Auslosen ist so uningenieurmäßig. Wie sollen „neue/junge“ Büros so überhaupt zu Referenzen kommen?

Hinweise, Anmerkungen, Erkenntnisse

Die Initiative des Wettbewerbsausschusses und die Befragung durch die Baukammer Berlin wird ausdrücklich begrüßt.

Die Verweigerung einer Vielzahl von Ingenieurbüros an VgV- Verfahren teilzunehmen, ist nicht erfreulich, und es ist eine Aufgabe für die Baukammer, den Ingenieurbüros, insbesondere der Vielzahl kleiner Ingenieurbüros, Unterstützung anzubieten.

Ein großes und unbefriedigendes Thema bei öffentlichen Ausschreibungen sind die Mindestanforderungen. Sie sind zeitweilig überzogen und nicht ohne größeren Aufwand nachvollziehbar.

Neben den wenigen größeren Ingenieurbüros gibt es eine Vielzahl an kleinen Ingenieurbüros. Hier ist eine Aufgabe für die Baukammer Berlin, die kleinen Büros in die Welt der VgV- Verfahren einzuführen.

 

Fazit

Insgesamt ist mit dem Wegfall der Höchst- und Niedrigsätze in der HOAI für viele Ingenieurbüros die Orientierung und Sicherheit verloren gegangen. Gleichzeitig nutzt die Öffentliche Hand diese Orientierungslosigkeit der Ingenieurbüros und schraubt ihre Anforderungen hoch, mit teilweise nicht nachvollziehbaren Mindestanforderungen oder gar mit vorgegebenen Honoraren.

Es herrscht eine allgemeine Unzufriedenheit bei Ingenieurbüros vor. Manchen fehlt es an Selbstbewusstsein durch mangelnde Anerkennung und Wertschätzung in der Öffentlichkeit.

Die Mitglieder der Baukammer erwarten, dass die Baukammer an die öffentlichen Auftraggeber mit mehr Mut und Selbstbewusstsein herantritt mit der Forderung:  es sollen nur noch Angebote ausgeschrieben werden, die eine Wirtschaftlichkeit für ihre Mitglieder erkennen lassen, weg mit den Honorarvorgaben (Preisvorgaben).

 

Dipl.-Ing Bodo Fuhrmann
(Mitglied des Wettbewerbsausschusses und der FG 3 der Baukammer Berlin)

Berlin, April 2022

 

Ergebnisse der Umfrage:

Frage 1 – Welche Ingenieurleistungen bieten Sie an?

Frage 2 – Von welchen Auftraggebern und wie viele Ihr Leistungsbild betreffende VgV-Ausschreibungen erhalten Sie pro Jahr zur Kenntnis?

Frage 3 – Beteiligen Sie sich auch an öffentlichen Ausschreibungen?

Frage 4 – Wie viele betreffende Ausschreibungen lesen Sie pro Jahr?

Frage 5 – An wie vielen öffentlich ausgeschriebenen Ausschreibungen nehmen Sie pro Jahr teil?

Frage 6 – An wie vielen Angebotsabgaben (VgV) nehmen Sie pro Jahr teil?

Frage 7 – Wurden in den Ausschreibungen vertretbare und angemessene Mindestanforderungen abgefragt?

Frage 8 – Erfüllten Ihre Angebote die ausgeschriebenen Eignungskriterien?

Frage 9 – Wurden in der Ausschreibung nachvollziehbare Bewertungskriterien vorgegeben?

Frage 10 – Waren die Angebote von Ihnen mit einem auskömmlichen Honorar für das Ingenieurbüro kalkuliert?

Frage 11 – Wie viele der von Ihnen abgegebenen Angebote (öffentliche Ausschreibungen – Bezug zu Frage Nr. 5) wurden beauftragt?

Frage 12 – Wie viele der von Ihnen abgegebenen Angebote (VgV – Bezug zu Frage Nr. 6) wurden beauftragt?

Frage 13 – Wurden im Falle einer Beauftragung Honorarnachlässe verhandelt?

Frage 14 – Bei wieviel Prozent Ihrer abgegebenen Angebote spielte der Preis die entscheidende Rolle?

Frage 15 – Haben Sie auf Nachfrage eine differenzierte Begründung zur Entscheidung der Vergabe erhalten?

Frage 16 – Sollte von dem Auftraggeber nach der Vergabe ein Submissionsspiegel abgefordert werden können?

Frage 17 – Sollte im Vergabeverfahren grundsätzlich für die ersten drei Platzierten die Möglichkeit bestehen, ihr Angebot dem Auftraggeber noch zu erläutern?

Frage 18 – Mit welchen mittleren Stundensätzen bieten Sie die folgenden Mitarbeitergruppen im Jahr 2022 an?

Frage 19 – Angaben zur Bürogröße

Frage 20 – Wie beurteilen Sie die folgenden Schritte für ein schlankes Vergabeverfahren?
Schritt 1: Beurteilung nur nach Mindestreferenzen für die Eignung einer Bauaufgabe Schritt 2: daraus Auslosung von 3 Büros, die in die engere Wahl kommen Schritt 3: Vergabegespräch mit den drei Ausgelosten Wertungsschema: Preis: 30 % | Fachliche Wertung: 40 % | Vergabegespräch: 30 % Bitte geben Sie zu Ihrer Beurteilung gerne auch eine Begründung ab.

Frage 21 – Zum Abschluss: Haben Sie weitere Hinweise oder Anmerkungen zur Umfrage?

Kein Ding ohne ING. - eine Initiative für den Ingenieurberuf.