Berlin als Hauptstadt und Millionenmetropole hat eine zukunftsweisende Verkehrsinfrastrukturplanung verdient. Das aber geht nur, wenn Technologieoffenheit Maxime ist. Politisch motivierte Denkverbote sind da kontraproduktiv. Sie lähmen das freie ingenieurmäßige Planen und sind kein Weg aus der Verkehrssklerose.
Die Ingenieure vor 100 Jahren haben uns vorgemacht, wie man die Infrastruktur für eine großräumliche Stadtstruktur schafft. Vorhandene und noch geplante zahlreiche größere und kleinere Zentren, die Berlin unverwechselbar prägen, wurden verkehrstechnisch erschlossen. U-Bahnen wurden vorausschauend geplant und gebaut, um deren Achsen und Endpunkte sich die Zentren entwickeln konnten.
Es ist höchste Zeit, wieder über den Tellerrand zu schauen und nicht nur Visionen zu entwickeln, sondern in Machbarkeitsstudien deren Umsetzungspotential zu ermitteln und dann auch zu handeln.
Anstatt zweifelhafte und hart umstrittene Energie- und Klimaschutzkonzepte anzubeten, sind wir Ingenieure gefordert, wissenschaftlich akribisch nach nachhaltigen und unumstrittenen Wegen der Umweltschonung und dem Erhalt unserer Ressourcen zu suchen. Unumstritten gemeinsamer Nenner als Basis für diese Suche ist zweifellos, unseren Energie- und Ressourcenverbrauch zu senken. Die kurzsichtige, nicht zu Ende gedachte populistische Forderung nach Abschaffung fossiler und atomarer Energieträger und deren Ersatz durch vermeintlich sauberen Strom aus der Steckdose reduziert weder den Energie- noch den Ressourcenverbrauch. Zumindest ist dies in der Fachwelt hoch umstritten.
Die Suche nach der Lösung unserer Probleme, von der Energieerzeugung und-speicherung über Verkehrs- und Transportsysteme bis hin zur Eindämmung von Pandemien stößt schnell an Grenzen; allgemeingültige Patentlösungen sind selten.
Es ist immer die sinnvolle Kombination unterschiedlicher Lösungsansätze, die technologieoffene Suche nach individuellen, auf die jeweiligen Randbedingungen zugeschnittenen Bausteine, die zusammen eine Lösung ergeben.
Selten sind solche Lösungen eins zu eins übertragbar. Aber die einzelnen Bausteine in anderer Kombination können eine neue Lösung an anderer Stelle mit anderen Randbedingungen ergeben. Man muss dabei das Rad nicht immer wieder neu erfinden.
Wenn wir Ingenieure diese Erkenntnis umsetzen wollen, so müssen wir zunächst in andere Städte schauen, welche Lösungsansätze für Infrastruktur, für Verkehrsmittel andernorts erprobt sind und funktionieren.
Mit S- und U-Bahn, Bus und Straßenbahn, E-Bikes und Car-Sharing sowie auch dem weiterhin zu berücksichtigenden Individualverkehr sind die städtischen Flächenressourcen weitgehend aufgebraucht. Wir müssen also die dritte Dimension – den Luftraum über unserer Stadt – verkehrstechnisch erschließen:
In Deutschland existieren Überlegungen und Planungen für städtische Seilbahnbauten in München, Dachau, Kempen und in einer Reihe weiterer Städte. In Köln verkehrt die älteste deutsche städtische Seilbahn über den Rhein hinweg seit 1957. Konsequente konkrete Planungen, Seilbahnen in städtische Nahverkehrskonzepte einzubinden, fehlen jedoch zzt. noch. Oftmals wird eher der touristische Aspekt im Vordergrund gesehen und weniger die Chance, den staugeplagten „Bodenverkehr“ zu entlasten.
Bei vergleichsweise deutlich geringerem Ressourcenverbrauch und geringeren Kosten für die Errichtung gegenüber U-Bahnbauten und potentiell größeren Transportkapazitäten als von Straßenbahnen und Bussen erscheint die Seilbahn in ökonomischer Sicht im Vorteil.
Im Hinblick auf den geringen Flächenverbrauch (bis auf die Stationen sind lediglich kleine Einzelflächen für die Tragmaste erforderlich), die Wartungsfreundlichkeit und insbesondere den Energieverbrauch für den Betrieb (Fahrstromverbrauch je 100 Passagierkilometer: Straßenbahn 12,5 kWh, U-Bahn 11,4 kWh, Seilbahn 5,8 kWh – Quelle: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung) erfüllt eine Seilbahn auch und gerade in ökologischer Sicht beste Voraussetzungen durch sparsamen Umgang mit Energie (Antriebe und Antriebsenergie müssen nicht mitgeschleppt werden und benötigen keine Kabeltrassen) und Ressourcen (Stahlseil statt Tunnel mit Gleisen).
Innerstädtische Zentren Berlins könnten ebenso wie die im unmittelbaren Umland liegenden Knotenpunkte ergänzend zu dem bestehenden und weiter geplanten öffentlichen Verkehrsnetz durch Seilbahntrassen erschlossen werden.
Beispiel: Bis heute gibt es kein schlüssiges Verkehrskonzept für die Anbindung der erwarteten über 10.000 Neubürger in der geplanten Siedlung in Krampnitz nach Berlin (oder Potsdam). Keiner weiß, wie der zusätzliche Verkehr über die B2 aufgefangen werden könnte. Die Straße ist schon jetzt verstopft. Warum also nicht darüber nachdenken, eine Seilbahn über die Havel nach Charlottenburg zu bauen?
Es ist höchste Zeit, auch für diese Verkehrsmittel konkrete zielgerichtete Untersuchungen natürlich unter Berücksichtigung städtebaulicher, denkmalpflegerischer und sozialer Aspekte in Form von Machbarkeitsstudien in die Wege zu leiten. Berlin könnte hier beispielgebend sein.
Dies sind nur zwei Beispiele, wie die Verkehrsplanung für eine Großstadt mit mehreren großen und zahlreichen kleineren Zentren wie Berlin konkret über die Zeitspanne einer Legislaturperiode hinaus angegangen werden muss. Allein über Visionen wohlwollend oder auch ablehnend zu diskutieren, ist nicht genug. Wenn wir uns Machbarkeitsstudien über die Umsetzung von Flussbädern im Spreekanal leisten, so sollten wir das auch für zukunftsweisende Ideen der Verkehrsplanung tun. Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es!
Dr.-Ing. Ralf Ruhnau
Präsident der Baukammer Berlin
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