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Sicherheit ist nicht verhandelbar!

Am 3. März stürzten aus bislang ungeklärter Ursache das sechsstöckige Historische Stadtarchiv in Köln sowie Teile der Nachbarbebauung ein.

„Als Ursache für die Katastrophe, die neben zwei Menschenleben große Teile der Sammlungen des Historischen Archivs zerstört hat, wird ein Zusammenhang mit dem in unmittelbarer Nachbarschaft stattfindenden Neubau der unterirdischen Nord-Süd Stadtbahn vermutet. Mitarbeiter der bauausführenden ARGE beobachteten unmittelbar vor dem Einsturz ein unplanmäßiges Eindringen von Wasser- und Bodenmassen in die bis zu 28 m tiefe Baugrube. Ihnen gelang es noch den Großteil der in den eingestürzten Gebäuden befindlichen Personen zu warnen. Der tragische Einsturz des Historischen Stadtarchivs zeigt in eindrucksvoller Weise, welch hohe Bedeutung einem gut aufgestellten Netzwerk für Bauausführung, Bauüberwachung/Bauaufsicht und Bauherrschaft zukommt.

Während die Suche nach der endgültigen Schadensursache noch läuft, werden nachfolgende Themen zur Zeit besonders diskutiert.

Thema 1: Technische Bauaufsicht

Die für die Bauaufsicht entsprechend BOStrab zuständige Bezirksregierung Düsseldorf hatte von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Bauaufsicht an den Vorhabenträger zu übertragen. Vorhabenträger sind die Kölner Verkehrsbetriebe KVB, eine Tochter der Stadt Köln. Im Ergebnis überwacht sich hier der Bauherr selbst. Ob damit eine unabhängige Kontrolle und Überwachung möglich war bzw. stattgefunden hat, werden die Untersuchungen in den nächsten Wochen zu klären haben.

Thema 2: Vergabe der Prüfingenieurleistungen

Die notwendigen Leistungen zur Prüfung der bautechnischen Nachweise wurden für alle drei Lose des Neubaus der Nord-Süd Stadtbahn öffentlich ausgeschrieben. Entscheidendes Vergabekriterium war der niedrigste Preis. Die Angebotssummen lagen exemplarisch für ein Los zwischen ca. 500000.- und 1,4 Millionen €. Das Honorar sollte entsprechend Ausschreibung nach der Verwaltungsgebührenordnung NRW ermittelt werden, so das eine solche Preisspanne nur schwer erklärbar ist. Die Vergabe erfolgte an den Bieter mit dem niedrigsten Angebot.
Hier stellt sich zusätzlich die Frage, ob durch die nur eingeschränkt realisierte direkte Anbindung des Prüfingenieurs an die Baustelle (beauftragt wurde der Prüfingenieur im Unfalllos nur mit der Prüfung der bautechnischen Unterlagen, nicht aber mit den stichprobenhaften Baustellenkontrollen) das Vier-Augen Prinzip noch in notwendigem Masse wirksam war.

Thema 3: Fehlende konsequente Würdigung unplanmäßiger Ereignisse

Die Baumaßnahme wurde in der Vergangenheit durch eine Reihe unplanmäßiger Ereignisse begleitet. Im September 2004 neigte sich z. Bsp. der Kirchturm von St. Johann Baptist um 77 cm.
Im weiteren deuten mehrere Hinweise darauf hin, dass die Bauarbeiten in mehreren Zeiträumen von unplanmäßig hohem Grundwasserandrang begleitet waren. Die Zahl der genehmigten 4 Brunnen für die Wasserhaltung wurde ohne Änderung der Genehmigung mindestens vervierfacht. Hier wird zur Zeit untersucht, ob durch den verstärkten Eingriff in den Grundwasserhaushalt ein hydraulischer Grundbruch gefördert wurde.

Die Ereignisse in Köln zeigen nur zu deutlich, dass es sich bei der Planung und Herstellung von Bauwerken stets um Unikate handelt die nicht unter Werkstatt- und Laborbedingungen wie ein industrielles Serienprodukt gebaut werden können. Die Sicherheit unserer Bauwerke kann nicht in einem Gebrauchstest nach Herstellung geprüft werden. Sicheres Bauen muss im ersten Anlauf gelingen.

Als vorläufiges Fazit kann folgendes festgestellt werden: Baumassnahmen mit hohem Schadensrisiko, wozu unterirdische Maßnahmen in dicht bebauten Stadtbereichen sicher gehören, erfordern neben einer soliden Finanzierung ein funktionierendes Netzwerk aus kompetenten und projekterfahrenden Personen auf der bauausführenden Seite ebenso wie auf Seiten der Bauherrschaft. Die Schlüsselpositionen müssen bei Projekten dieser Art Bauingenieure neben Baugrundfachleuten einnehmen, nicht Juristen und/oder Ökonomen, deren Anliegen es sein könnte, sogenannte „Billigleistung“ einzukaufen. Hier gilt in wahrstem Sinne das Motto unserer Kampagne „Kein Ding ohne ING“. Die Wirtschaftlichkeit eines Projektes ist ein berechtigtes Ziel des Auftraggebers, kann aber nicht verbunden sein mit dem Credo, für alle Phasen jeweils das „billigste“ Angebot anzunehmen. Die Vergabe von Prüf- und Überwachungsleistungen ist nicht in einem Preiswettbewerb zu entscheiden, sondern muss zwingend auf Maßgabe eines Leistungswettbewerbes erfolgen. Das seit Jahrzehnten bewährte System des Vier-Augen-Prinzips in Überwachung und Prüfung darf nicht durch wirtschaftliche Optimierung ausgehöhlt werden.

Sicherheit für Leib und Leben ist nicht verhandelbar !

Beitrag des neu gewählten Präsidenten der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, Dr.-Ing. Heinrich Bökamp

Kein Ding ohne ING. - eine Initiative für den Ingenieurberuf.